Lage der Opposition und Umgang mit Minderheiten in Belarus

Auch in Autokratien wie Belarus existieren prodemokratische Akteure, Parteien der Opposition, nichtstaatliche Organisationen (NGOs) oder Gewerkschaften, auch wenn sie aufgrund der Gesetzgebung und entsprechenden Repressionen einen schwierigen Stand haben.

In Belarus gibt es keine "Partei der Macht", dafür aber mehrere staatsloyale sowie auch oppositionelle Parteien, die allerdings keine breite Unterstützung bzw. kein Vertrauen der Bevölkerung genießen und in Wahlgremien fast nicht vertreten sind. Den oppositionellen Parteien fehlt es oft an einer einheitlichen Strategie und ausreichenden Finanzierungsquellen im Land; sie werden regelmäßig vom Staat unterdrückt.

Die durch die Corona-Krise verschlechterte Wirtschaftslage, die inkohärente Informationspolitik des Gesundheitsministeriums sowie die Arroganz und der Mangel an Empathie für die Bevölkerung seitens des Präsidenten während der Pandemie trugen zur Politisierung der Gesellschaft sowie einem Solidaritätsgefühl unter den Menschen bei. Gleichzeitig sank das Vertrauen gegenüber staatlichen Institutionen, eine Proteststimmung im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2020 machte sich breit.

Neue Oppositionsfiguren

Unter diesen Umständen erfuhren neue Oppositionsfiguren außerhalb der klassischen Parteiopposition - YouTube Blogger Zichanouski, zwei ehemalige Elitenfunktionäre Babaryka und Zapkala und später das  „Frauentrio“: Tichanowskaja, Zapkala und Kalesnikawa-  großen Zuspruch und konnten neue politische Botschaften entwickeln. Sie mobilisierten Menschen über Online-Kanäle und ermutigten sie, sich rechtlich zulässigen Instrumenten zu bedienen, um gegen das System aufzubegehren (Unterschriften sammeln, Beschwerden einreichen, Wahlen beobachten usw.). So wurde eine kritische Masse an Menschen mobilisiert, die früher nicht politisch aktiv war. Für dieses unermüdliche Engagement wurde das Frauentrio mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Sie wurden für ihren Mut und ihren ermutigenden Einsatz für Freiheit und Demokratie ausgezeichnet, so die Jury. Der Karlspreis wird seit 1950 verliehen und gilt als älteste und wichtigste Auszeichnung für Verdienste um die Verständigung und Zusammenarbeit in Europa.

Vor den Präsidentschaftswahlen 2020 schien es, als ob die Opposition die bis dato stets sichere Mehrheit des Präsienten womöglich  ins Wanken bringen könnte,  Doch auch aus dieser Wahl ging Lukaschenko nach offiziellen Angaben der belarussischen Wahlkommission abermals mit rund 80 Prozent der Stimmen als Sieger hervor. Das verkündete Wahlergebnis halten Beobachterinnen und Beobachter allerdings für gefälscht. Umfragen deuteten auf ein anders gelagertes Meinungsbild in Belarus hin. Die Europäische Union hat Alexander Lukaschenko wegen der mutmaßlich gefälschten Auszählung der Wahl nicht mehr als Präsidenten anerkannt.

Protestwelle nach Präsidentschaftswahl 2020

Die Verkündung der Wahlergebnisse führte zu  landesweiten Protesten. Die Proteste haben zwar nicht zu einem Regimewechsel in Belarus geführt, allerdings hat Lukaschenko offensichtlich seine frühere Legitimität in der Gesellschaft verloren. Laut einer online Umfrage von „Chatham House“ (September 2020) wird Lukaschenko nur noch von lediglich 23 Prozent der Bevölkerung unterstützt. Das Land befindet sich aktuell immer noch in einer nicht gelösten politischen Krise.

„Es sieht im Moment so aus, als hätten wir verloren"

Das Resümee der Oppositon nach der Protestwelle 2020 ist ernüchternd, die Opposition in Belarus sei fürs Erste gescheitert, so sehen es auch führende Vertreter wie Maria Kolesnikowa, eine der drei Führerinnen der Opposition, die in Belarus von mutigen Frauen getragen wird. Seit September ist Kolesnikowa in Haft, samt ihrer Anwälte, es drohen ihr 12 Jahre Haft.  „Es sieht im Moment so aus, als hätten wir verloren. Wir haben nicht die Mittel, um der Gewalt des Regimes gegen die Demonstranten etwas entgegenzusetzen. Aber unsere Strategie ist es, uns besser zu organisieren, das Regime unter ständigen Druck zu setzen, bis die Menschen wieder bereit sind, auf die Straße zu gehen", so Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die derzeit im politischen Exil in Litauen lebt.

Massive Repressionen und Verfolgung - im Inland und im Exil

Die größten und längsten Nachwahlproteste 2020 verursachten eine beispiellose Repressionswelle, die von Amnesty International als "die ungeheuerlichste Unterdrückung der Meinungsfreiheit und der friedlichen Versammlung in Belarus“ seit seiner Unabhängigkeit bezeichnet wurde. Mittels Polizeigewalt hat die Regierung Demonstrierende massiv unterdrückt und eingeschüchtert, Oppositionsführerinnen und Oppositionsführer wurden entweder verhaftet, getötet oder mussten ins politische Exil. In den letzten 40 Jahren sei es zu keinen härteren politischen Repressionen in Europa gekommen. Die Rede ist von über 40.000 Verhafteten, über 350 politischen Gefangenen, mindestens vier vermutlich von Sicherheitskräften Getöteten bzw. durch fehlende medizinische Hilfe Verstorbenen und über 1000 gemeldeten und nicht weiter untersuchten Folter- und Vergewaltigungsopfern (Stand: April 2021).  Amnesty International (AI), Human Rights Watch sowie belarussische Menschenrechtsaktivisten berichten seit Jahren regelmäßig über massive Menschenrechtsverletzungen in Belarus. Belarus ist zudem  das einzige europäische Land, in dem noch die Todesstrafe praktiziert wird.

Zu elf Jahren Haft wurde Maria Kolesnikowa im September2021  verurteilt. Sie ist eine der bedeutendsten Vertreterinnen der Opposition, die bewusst in Belarus verblieben ist, um weiterhin für Freiheitsrechte im Land zu kämpfen. Ihre beiden Mitstreiterinnen Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo leben mittlerweile im Ausland im Exil. Gemeinsam wollten sie sich für die Demokratie in Belarus einsetzen. Immer wieder, auch jetzt bei der Urteilsverkündung, zeigt sich Kolesnikowa unerschütterlich und formt ein Herz mit ihren Händen – ihr Zeichen für Demokratie und Menschenrechte.

Die Einflussnahme Lukaschenkos beschränkt sich nicht nur auf Oppositionelle und Aktivisten. Wer immer es wagt, sich  kritisch gegenüber Regime und Funktionären zu äußern, läuft Gefahr unter Druck gesetzt zu werden. Machthaber Lukaschneko führt zusehends einen Kampf gegen die eigene Bevölkerung uns setzt die Zivilgesellschaft zunehmend unter Druck. So geriet im Rahmen der Olympischen Spiele 2021 auch die Sportlerin Kristina Timanowskaja in Bedrängnis. Der mutmaßliche Versuch der Entführung Timanowskaja - sie sollte offenbar gegen ihren Willen aus Japan zurück nach Belarus überführt werden - zeigt einmal mehr, wie Lukaschenko versucht, jegliche freie Meinungsäußerung zu unterbinden. Timanowskaja hatte in einem Instagram-Post die Funktionäre des belarussischen Nationalen Olympischen Komitees.kritisiert.

Auch der Tod des Leiters einer belarusischen Exil-Gruppe Vitali Schischow gibt Anlass für Mutmaßungen. Der als vermisst gemeldete Chef der Organisation wurde in der Ukraine tot aufgefunden, erhängt in einem Kiewer Park.  Die Polizei gehe auch dem Verdacht eines als Suizid getarnten Mordes nach. Die Organisation "Belarusisches Haus in der Ukraine" kümmert sich um Unterbringung, Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitsplätze für aus Belarus geflohene Gegner von Präsident Alexander Lukaschenko.  Die Organisation mutmaßt eine "geplante Operation" der belarusischen Führung zur "Eliminierung" eines Regierungskritikers. Es sei offensichtlich, dass die belarusischen Geheimdienste Schischow getötet hätten.

Tausende Regimekritiker sind seit den Nachwahl-Protesten 2020 ins Ausland geflohen. Aber auch im ausländischen Exil sind sie nicht sicher vor Verfolgung.

Der Fall Roman Protassewitsch

Weltweit große Aufmerksamkeit hat auch das Vorgehen gegen den oppositionellen Journalisten Roman Protassewitsch im Mai 2021  erregt. Zeigte es doch, wie weit Machthaber Lukaschenko bereit ist, gegen die Opposition sowohl im Land als auch außerhalb des Landes vorzugehen. Am 23. Mai 2021 ließ Lukaschenko ein  Passagierflugzeug kapern, das sich auf dem Weg von Griechenland nach Litauen befand, und zwang es mittels Luftstreitkräften zur Landung in der belarussischen Hauptstadt Minsk. Eine angebliche Sicherheitsbedrohung soll der Grund dafür gewesen sein. Bei der Landung wurde jedoch der belarussische Regimekritiker und Blogger Roman Protassewitsch umgehend verhaftet, ebenso seine Freundin Sofija Sapega. Wie Tichanowskaja lebt Protassewitsch derzeit im politischen Exil in Litauen. Der 26-jährige wird in Belarus per Haftbefehl gesucht, ihm droht eine Gefängnisstrafe von bis zu 15 Jahren oder gar schlimmeres. In Belarus steht auf sehr schwere Verbrechen die Todesstrafe, die auch noch vollstreckt wird. Lukaschenko wirft Protassewitsch vor, er sei ein „Terrorist" und hätte einen „blutigen Aufstand "in Belarus geplant. Außerdem hätte er in der Ostukraine aufseiten von Regierungstruppen gekämpft: „Dieses Dreckschwein hat im Südosten der Ukraine Menschen getötet. Diese Fakten sind nicht nur bei uns, sondern auch bei unserem Bruderstaat Russland bekannt – und in der ganzen Welt", so Lukaschenko nach der Festnahme. Die Eltern von Protassewitsch äußerten nach die Befürchtung, das  nach der Verhaftung veröffentlichte Video-Geständnis ihres Sohnes vom 24.Mai, in dem er zugab, für die Organisation von Protesten gegen die Regierung verantwortlich zu sein, sei mutmaßlich unter Druck oder gar Folter zustande gekommen ist.

Wenige Tage später wurde im belarussischen Fernsehen ein 90-minütiges Interview mit Protassewitsch ausgestrahlt, welches auch auf YouTUbe veröffentlicht ist. Geführt wurde es vom Direktor des staatlichen TV-Kanals ONT höchstpersönlich und erinnerte mit seiner Szenerie einem Verhör. Protassewitsch betonte, dass er sich gut fühle und bekannte sich schuldig und gab erneut zu, zu Massendemonstrationen aufgerufen zu haben . Außerdem drückte er seine Bewunderung für Präsident Lukaschenko aus und äußerte sich negativ über andere Oppositionelle. Seine Famile und die Opposition sind sich sicher, dass auch diese Äußerungen nur unter massivem Druck entstanden sein können. „Sie haben ihn gebrochen und ihn gezwungen, das zu sagen, was nötig war", sagte Protassewitschs Vater, sein Sohn  hätte so etwas nie freiwillig gesagt. Am Ende des Interviews brach Protassewitsch in Tränen aus, er hoffe, er würde eines Tages ein normales Leben führen könnne und Familie und Kinder haben.

Protassewitsch war bis zum September 2020 Chefredakteur des Internetprojekts „Nexta“, über welchen die Proteste nach der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr organisiert wurden. Der Gründer des Projekts „Nexta“, Stepan Putilo, äußerte sich zur Flugzeugentführung wie folgt:  „Das war eine Spezialoperation, die allen Gegnern von Lukaschenko zeigen soll: Wir schrecken vor nichts zurück. Wir holen euch sogar aus der Luft. Und auch diejenigen, die im Ausland leben, sollen sich nicht sicher fühlen." Protassewitschs Familie bat die internationale Staatengemeinschaft eindringlich um Hilfe, die Freilassung ihres Sohnes zu erwirken.

Nach fünf Wochen Haft wurden Roman Protassewitsch und seine Partnerin Sofia Sapega Ende Juni 2021 tatsächlich aus dem Gefängnis entlassen und in „Hausarrest" überführt. Die „Präventionsmaßnahmen“ wurden offenbar geändert, Sie werden nun in einer Wohnung untergebracht, dort überwacht und dürfen nicht per Internet kommunizieren.. Dies sei einerseits eine „gute Nachricht“, so Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Zugleich betonte sie: „Hausarrest - das ist keine Freiheit.“ Protassewitsch und Sapega seien „Geiseln“ des Systems von Lukaschenko, sie seien weiter angeklagt und stünden unter dem Druck ihrer Peiniger. Zudem säßen weiter mehr als 500 Gefangene in belarussischen Gefängnissen. Anfang Mai 2023 wurde Protassewitsch zu acht Jahren Strafkolonie mit verschärfter Anstaltsordnung verurteilt. Wenige Wochen später soll Protassewitsch nun laut der belarussischen Staatsagentur Belta offenbar doch begnadigt worden sein. Er hatte sich in der Vergangenheit mehrfach vor dem Staatsfernsehen von seiner oppositionellen Tätigkeit distanziert.

Sanktionen gegen Belarus – Was können sie bewirken?

Nach diesem Vorfall wurden die Stimmen nach schärferen Maßnahmen gegen Machthaber Lukaschenko immer lauter, so auch von Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja aus dem litauischen Exil: „Die Zeit der Erklärungen ist vorbei. Die Belarussen erwarten ein entschiedenes Handeln und Hilfe von der internationalen Gemeinschaft. In dieser Woche ist ein politischer Gefangener im Gefängnis gestorben. Das Oppositionsmedium tut.by wurde zerschlagen, jetzt die Entführung eines Flugzeugs. Das alles geschah, weil das belarussische Regime bisher nicht bestraft wurde.“

Auch die internationalen Reaktionen fallen entsprechend aus, es ist von Staatsterrorismus und Luftpiraterie die Rede, und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einer Entführung, für welche die Verantwortlichen sanktioniert werden müssten. Auf dem EU-Gipfel am 24.Mai 2021 hat die EU Sanktionsmaßnahmen gegen Belarusverhängt.  "Wir werden Druck auf das Regime so lange ausüben", kündigte Kommissionschefin Ursula von der Leyen an, "bis es die Freiheit der Meinung und die Freiheit der Medien respektiert."  Kern der Strafmaßnahmen: Belarus wird vom europäischen Flugverkehr abgeschnitten.  Die Fluggesellschaften des Landes dürfen nicht mehr auf den Flughäfen der EU landen und auch nicht mehr von dort starten. Auch die Überflugrechte im Europäischen Luftraum sollen für Belarus weitgehend gesperrt werden. Weiterhin  wollen die EU-Mitgliedstaaten den eigenen, den europäischen Fluglinien empfehlen, Belarus nicht mehr zu überfliegen, etwa bei Verbindungen von Europa nach Asien. Außerdem soll ein  Drei-Milliarden-Investitionspaket an Belarus zurück gehalten werden. Es bleibe so lange eingefroren, "bis Weißrussland demokratisch wird", erklärte Kommissionschefin von der Leyen. Auch die USA setzt auf Sanktionengegen Belarus.  Dazu gehörten Maßnahmen gegen neun staatliche Firmen sowie "Schlüsselfiguren des Regimes" von Lukaschenko.

Die schärferen Sanktionen gegen Präsident Lukaschenko kämen allerdings zu spät und könnten nicht viel ausrichten, so ARD-Korrespondentin Ina Ruck. Davon werde der belarussische Staatschef sich nicht beeindrucken lassen, weil er sich klar auf die Seite der russischen Regierung gestellt habe. Aus Moskau komme das Geld, das Lukaschenko das politische Überleben sichere. Warum Sanktionen gegen Belarus bisher wenig schaden und wie es um die Erfolgschancen "gezielter" Sanktionen stehe, zeigt eine Datenanalyse der Deutschen Welle am Beispiel Belarus.

Die raschen und deutlichen Sanktionen seitens der EU gegen Belarus in der jetzigen Situation seinen zwar gut und ein wichtiges Zeichen, man müsse aber auch fragen, was die Sanktionen letztendlich bewirken würden und wen sie tatsächlich träfen: „Es war immer die Streitfrage, wem Sanktionen mehr schaden: dem Regime oder der Bevölkerung, indem langfristig Arbeitsplätze wegfallen?", so die Analystin Olga Dryndova. Zudem stelle sich auch die Frage nach der Sicherheit der Menschen, die in Belarus noch immer versuchen, politisch aktiv zu sein, aber Angst haben und überlegen, auszureisen. Wie können sie nun überhaupt noch das Land verlassen? Bereits seit Ende 2020 sind die Landgrenzen de facto geschlossen - offizielle Begründung war damals die Corona-Pandemie. Man konnte Belarus fast nur noch über den Flughafen verlassen. Und wenn das nun nicht mehr geht - zumindest nicht in Richtung EU  - bedeutet dies für die Belarusen,"dass sie im Land eingeschlossen sind", so  die Expertin Olga Dryndova.

Im Juni erhöhte die EU nochmals den Druck auf Lukaschenko. Auf einem Treffen am 21.Juni 2021 verhängten die EU-Außenminister nochmals verschärfte Sanktionen gegen das Regime in Belarus: Neben der Listung von weiteren Unterstützern des Regimes werden Maßnahmen gegen sieben Wirtschaftsbereiche verhängt. Die Exportverbote und Blockaden richten sich jetzt gegen Bereiche, die von Staatsunternehmen beherrscht werden und die nach Einschätzung der EU zum Erhalt des Lukaschenko-Regimes beitragen.

Wenige Tage später hat Belarus seinerseits auf die Sanktionen der EU reagiert undGegenmaßnahmen verhängt.Der belarussische Vertreter bei der EU soll abgezogen werden. Der EU-Repräsentant in Minsk wiederum wurde aufgefordert, abzureisen. Ferner teilte das Außenministerium in Minsk mit, sich aus dem EU-Partnerschaftsprogramm zurückzuziehen.

Auch den Druck auf die Opposition hat Lukaschenko weiter erhöht. Pauschal hat er 1500 (von insgesamt 3000)  Organisationen des individuellen Terrors beschuldigt,ohne irgendeinen Beweis zu liefern. Er werde sie zur Verantwortung ziehen, so Lukaschenko bei einem Treffen mit Putin. So geht nun ein erneute Verhaftungswelle  durch durch das Land. Menschenrechtsorganisationen verzeichnen miittlerweile die Rekordzahl von 563 politischen Gefangenen.laufend kommen weitere hinzu. Das Regime hat den Druck auf Aktivisten und unabhängige Medien massiv erhöht.

Neue Protestwelle?

Angesichts der jüngsten Ereignisse hat die im litauischen Exil lebende Oppositiosnführerin Swetlana Tichanowskaja zu weltweiten Protesten gegen Machthaber Lukaschenko aufgerufenund Solidarität mit allen politischen Gefangenen gefordert. Seit einem Jahr befindet sich auch ihr Ehemann Sergej Tichanowski in belarussischer Haft, auch ihm droht wie Protassewitsch 15 Jahre Gefängnis. Tichanowski hatte bei der Präsidentenwahl 2020 gegen Lukaschenko antreten wollen, wurde aber schon Monate vorher festgenommen. An seiner Stelle hatte deshalb seine Frau Swetlana Tichanowskaja kandidiert. Nach offiiellen Angaben hat sie zwar die Wahl gegen Lukaschenko verloren, für die Demokratiebewegung ist hingegen Tichanowskaja die Siegerin. Nach der Protestwelle 2020 hatte die Protestbewegung angekündigt, im neuen Jahr erneut aktiv zu werden. In ihnen brenne weiterhin „das Feuer und die Glut für Veränderungen zu kämpfen", so Tichanowskaja.
Ein Jahr nach den Massenprotesten in Belarus schließt die Opposition jedoch derzeit neue größere Aktionen aus. Der Preis dafür wäre zu hoch, so Tichanowskaja: „Jeder kann nicht für 15 Tage, sondern für Jahre ins Gefängnis kommen”. Die Gesellschaft müsse aber weiter mobilisiert werden, ohne dass Massen auf die Straße gingen. „Die Sicherheit der Menschen muss an erster Stelle stehen“, sagte die Oppositionsführerin.

Forderungen nach internationalem Tribunal gegen Lukaschenko

Angesichts des harten Vorgehens gegen Kritier fordert die Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja härtere Maßnahmen gegen Präsident Lukaschenko. Bei einer Rede in Prag im Juni 2021 hat sie zur Bildung eines internationalen Tribunals aufgerufen, um die Staatsführung in Minsk zur Rechenschaft zu ziehen. Die „Verbrechen der Lukaschenko-Diktatur" müssten untersucht werden. Unterdessen fordert auch die EVP im Europaparlament ein solches  internationales Tribunal gegen Alexander Lukaschenko wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Auch die in Minsk geborene und heute in Deutschland lebende Journalistin Katja Artsiomenka fordert vom Westen mehr Engagement.und Beistand. Jeden Tag würden Menschen in belarussischen Gefängnissen "unkenntlich" gemacht und aus der Welt entführt und entmenschlicht. Wie lange jemand gequält werde, variiere nach Lust und Laune der Wächter:innen oder Ermittler:innen. Das Video mit Roman Protasewitsch im staatlichen Fernsehen sei kein Interview, auch kein sogenanntes Interview, kein Interview in Anführungszeichen oder kein Zwangsinterview, sondern Folter vor laufenden Kameras.Die Wirklichkeit werde nicht mehr bloß im Sinne von Lukaschenko verdreht sondern  neu erschaffen, indem sie den Menschen das Menschsein raubten. Die Forderungen an die Weltgemeinschaft, Lukaschenko als Terroristen einzustufen oder zu prüfen, ob seine Gräueltaten Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind, seien kein Ruf nach Haltung, sondern nach Gerechtigkeit.

Parallelen zu Russland

Die Parallelen im Falle Russlands und Belarus sind offensichtlich, so die Meinung von Osteuropa-Experten. Beide Regime sind aufgrund des autoritären Regierungsstils ihrer Machthaber seit Jahrzehnten dabei, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu untergraben, wobei Belarus sich zusehends in die Abhängigkeit des "großen Bruders" Russland begibt. dessen geopolitischen Interessen in der Region unverkennbar sind. Und um ihre Macht zu erhalten, sind Putin und Lukaschenko offenbar bereit, zu allen Mitteln zu greifen, um die im Land aufkeimende Opposition klein zu halten. So werden nun auch vom Fall Protasewitschs Parallelen zum Fall Nawalny gezogen. Das Video mit den Bildern des verhafteten belarussischen Regimegegners Protasewitsch sei wohl nicht unter normalen Bedingungen zustande gekommen, sagte Osteuropa-Experte Wilfried Jilge im Dlf. Familie und oppositionelle Mitstreiter bangen nun um das Leben des jungen Bloggers wie auch schon mehrfach das Leben des russischen Kreml-Kritikers Nawalny auf dem Spiel stand.


Zur aktuellen Lage in Russland und dem Fall Nawalny


Gemeinsame Strategie für die Region

Dass die von der EU in der Vergangenheit verhängten Sanktionen gegen Belarus nicht wirksam waren, ist offensichtlich. Zuletzt wurden 2020  aufgrund dem repressiven Vorgehen gegen Oppositionelle und Demonstrierende im Zuge der Präsidentschaftswahlen Sanktionen gegen das Land verhängt. Diese gingen jedoch nicht weit genug und blieben weitgehend wirkungslos. Solange Belarus von Russland unterstützt wird, verlaufen die Sanktionen seitens der EU im Sande.

Osteuropa-Experten fordern daher von der EU ein gemeinsame Russland-Belarus-Strategie bzw. eine intensivere  Nachbarschaftsstrategie für die Region östliches Europa insgesamt, um tatsächlich positiven Einfluß auf die Region nehmen zu können. Osteuropa-Experte Wilfried Jilge fordert: "Die Europäische Union muss endlich Strategien in ihrer Nachbarschaftsregion entwickeln – Strategien, die verflochten sind zwischen erweiterter Sicherheit, Wirtschaft und auch der Wahrung des internationalen Rechts. Ich nenne nur mal das Beispiel der Schwarzmeer-Region, wo ja auch die EU ganz massive eigene Interessen hat. Da muss sie ihre Partner stärken, die Georgier, die Ukrainer, die Moldauer, weil man einen direkten Einfluss auf Moskau so einfach nicht hat. Deswegen muss man selbst für ein attraktives Auftreten in der Region sich einsetzen. Dazu bedarf es einer Strategie. Die muss auch sicherheitspolitische Komponenten einschließen."


Umgang mit Minderheiten

Das Lukaschenko-Regime orientiert sich kulturell und politisch am großen Nachbarn, der Russischen Föderation und versucht eine sogenannte föderative Union Russland-Weißrussland zu institutionalisieren. Darüber hinaus wird den Russen, die zahlenmäßig die größte nationale Minderheit des Landes darstellen, im öffentlichen Leben der Vorzug nicht nur gegenüber den anderen nationalen Minderheiten eingeräumt, sondern auch gegenüber den Weißrussen selbst.

Ganz anders geht die belarussische Regierung mit der polnischen Minderheit um, die in den letzten Jahren wegen aktiver Teilnahme an den regierungskritischen Protestbewegungen und -aktionen massiv angegriffen und unter Druck gesetzt wird. Die polnischen Bildungseinrichtungen und Institutionen werden geschlossen. Es sind schon mehrere Fälle von Verhaftungen der Aktivistinnen und Aktivisten polnischer Minderheit bekannt: Andzelika Borys, die Präsidentin der Union der Polen in Belarus, wurde zusammen mit fünf weiteren Beschäftigten wegen Organisation unerlaubter Massenveranstaltungen in Belarus zu fünfzehn Tagen Freiheitstrafe verurteilt, was zu diplomatischen Spannungen mit der polnischen Regierung geführt hat.

 

Belarus ist im übrigen das einzige europäische Land, das kein Mitglied des Europarates ist. Seine Mitgliedschaft wurde wegen der gravierenden Menschenrechtsverletzungen seitens der staatlichen Behörden eingefroren. Dem Rahmenübereinkommen zum Schutz der nationalen Minderheiten und der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ist Belarus dementsprechend auch nicht beigetreten.


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